Geschichte der Kartographie

Einleitung

Die Faszination und das Interesse für unsere Erde ist von jeher Gegenstand der Wissenschaft. Höhlenmalereien sowie Darstellungen auf Knochen und anderen Artefakten wurden zuerst als rein künstlerische Darstellungen betrachtet. Neueste Forschungen zeigen, dass diese Zeichnungen meist Karten von Routen, Jagdgebieten, Flüssen oder Sternbildern waren.

Ein rund 3 m großes Wandbild, welches Gebäude und einen Vulkan zeigt, wurde 1963 in Anatolien gefunden. Die Karte wurde datiert auf 6100 – 6300 v. Chr. und ist somit eine der ältesten Karten. Auch von den alten Ägyptern ist bekannt, dass sie Karten auf Papyrus erstellten. Allerdings existieren heute nur wenige dieser Karten, aufgrund der schlechten Haltbarkeit von Papyrus.

Oftmals sind es die einzelnen Karten selbst, die berühmter wurden als ihre Ersteller. Viele Kartographen wurden erst nach ihrem Tod berühmt nachdem eine ihrer Karten als Meisterwerk anerkannt wurde, weil diese einen herausragenden Beitrag zu Wissenschaft und Kunst geliefert hat. Andere Kartographen wurden zu Lebzeiten berühmt und bekamen weitere Auträge von Adel oder Entdeckern, wodurch sie weitere herausragende Werke produzieren konnten. Und wieder andere erstellten eine berühmte Karte und verschwanden dann für immer.

Im folgenden Beitrag erfährst du chronologisch von wichtigen kartographischen Ereignissen und von den ersten Karten, die geschichtlich eine wichtige Rolle spielten.

Kartographie und Kartenerstellung des Altertums

Die Gelehrten Griechenlands halfen der Kartographie um als echte Wissenschaft Anerkennung zu finden. Beispielsweise hatten Ptolemäus, Herodot oder Eratosthenes bedeutenden Einfluss in der Erforschung der westlichen Welt. Sie studierten die Größe und Gestalt der Erde, ihre Klimazonen sowie die bewohnbaren Gebieten unseres Planeten. So war es Eratosthenes, der der Geographie und damit einhergehend, der Kartographie den Weg bereitete.

Eratosthenes

Vater der Geographie

Bild von Eratosthenes
Eratosthenes – Vater der Geographie

Eratosthenes von Kyrene war ein griechische Universalgelehrter. Er war rund ein halbes Jahrhundert als Leiter der Bibliothek von Alexandria eingesetzt, welche damals als die bedeutendste Bibliothek der Antike galt. Dadurch hatte er Zugang zu allen wichtige Werken und er hatte ideale Arbeitsbedingungen, wodurch er sich als Mathematiker, Astronom, Historiker, Philologe, Philosoph und Dichter betätigte.

Eratosthenes und ein Schüler lesen in einem Buch neben einem Globus
Eratosthenes bei der Lehre in Alexandria

Einzige Berechnung des Erdumfangs in der Antike

Zudem ist Eratosthenes bekannt als der Mann, der den Grundstein für die Geographie als Wissenschaft legte. Seine Schrift Geōgraphiká galt während der Antike als Standardwerk. Unter Geographie verstand er „das Zeichnen (gráphein) der Erde“. Ihm ging es in seiner Schrift aber nicht nur um das reine Beschreiben der Erdoberfläche. Vielmehr verstand er unter Geographie auch das kartographische Vermessen, Einteilen und Lokalisieren.

Bereits vor der Geōgraphiká versuchte er sich an der Berechnung des Erdumfangs und war der einzige Gelehrte der Antike, der sein Ergebnis wissenschaftlich belegte und nicht nur schätzte. Das Ergebnis war beeindruckend und sein Fehler beträgt rund 4,2%.

Ein weiterer bedeutender Beitrag von Eratosthenes war die Entwicklung des Konzepts von Breiten- und Längengraden. Er erstellte die erste bekannte Weltkarte ca. 220 v. Chr. bei der er Parallelkreise und Meridiane verwendete und somit seine Vorstellung von der Kugelgestalt der Erde belegte.

Schema mit Erdkugel, Winkel und Entfernungen die zur Berechnung des Erdumfangs dienen
Eratosthenes Methode zur Berechnung des Erdumfangs.

Die Weltkarte des Eratosthenes

Die Wissens-Grundlage für seine Weltkarte liegt begründet in den frühen hellenischen Erkundungen von Alexander dem Großen, Pytheas von Massalia, Megasthenes, Patrocles oder Timosthenes von Rhodos. Zugang zu den Fahrtenberichten erhielt er durch die bereits erwähnte Leitung der Bibliothek von Alexandria.

In seinen Schriften unterteilte er auch als Erster die Welt in einen Nord- und Südteil durch das Diaphragma, ein Parallelkreis zum Äquator. Dieses verlief durch die „Säulen des Herakles“ – zwei Felsenberge, die die Straße von Gibraltar einfassen. Der Felsen von Gibraltar und der Dschebel Mousa in Marokko.

Weltkarte des Eratosthenes
Rekonstruierte Weltkarte des Eratosthenes

Kartographie während der Zeit der Römer

Während der Zeit der Römer wurde Kartographie meist als Mittel zum Zweck eingesetzt. Hauptsächlich wurden Karten für militärische oder verwaltungstechnische Zwecke erstellt. Ihr Anspruch, das Römische Reich finanziell, militärisch, politisch und wirtschaftlich zu dominieren, setzten Karten mit Verwaltungsgrenzen und einem Straßennetz voraus. Die Karten der Römer waren dabei meist begrenzt auf das mare nostrum (Mittelmeer-Region).

Kartographie während des Mittelalters

gezeichnetes Bild von Al Idrisi
Al Idrisi war Geograph, Kartograph und Botaniker

Muslimische Gelehrte setzten die kartographischen Arbeiten und Traditionen der früheren Kulturen fort und orientierten sich dabei hauptsächlich an Ptolemäus‘ Methoden. Ergänzt wurden ihre Arbeiten durch Berichte und das Wissen von Entdeckern und Händlern der islamischen Welt. Die großen Fortschritte dieser Zeit waren verbesserte Berechnungen des Erdumfangs und detaillierte Definitionen von Maßeinheiten. Zahlreiche Studien von Al-Idrisi oder Ibn Batutta zu Koordinatensystemen waren wichtige Beiträge für die Entwicklung der Kartographie.

Die Jahre 1100 n. Chr.

Al Idrisi veröffentlichte 1154 n. Chr. die Tabula Rogeriana. Diese Weltkarte fertigte er im Auftrag des sizilianischen Königs Roger II. Die Tabula Rogeriana war nicht nur eine Weltkarte. Vielmehr enthielt sie umfassende Texte zu natürlichen und sozioökonomischen Begebenheiten, ethnischen und kulturellen Gruppen, sowie vielen weiteren Charakteristika eines jeden Gebiets. Dem Wissen lagen umfangreiche Reisen und Befragungen von Entdeckern zu Grunde. Zudem hatte er Zeichner, die gegen Bezahlung Reisen unternahmen und ihre Routen detailliert dokumentierten.

Die Tabula Rogeriana von Al Idrisi von 1154
Die Tabula Rogeriana von Al Idrisi, 1154

Al Idrisi’s Weltkarte basiert auf dem Verständnis einer Erde in Kugelform, die er in 70 Rechtecke unterteilte. Jedes dieser Rechtecke wird im Anhang der Karte detailliert beschrieben.

Die Jahre 1300 n. Chr.

Während der Jahre 1300 – 1399 n. Chr. wurden in Europa Weltkarten erstellt, die unter dem Begriff mappa mundi bekannt sind. Die bekannteste dieser Weltkarten ist die Hereford mappa mundi – sie ist die größte, noch erhaltene mittelalterliche Karte und zudem sticht sie aufgrund ihrer Zeichenkunst und Kolorierung heraus. Die Karte ist kreisförmig mit Jerusalem im Zentrum und Osten am oberen Kartenrand. Dort befindet sich auch der Garten Eden, dargestellt in einem Feuerring. Eine Besonderheit der Hereford-Karte ist, dass Afrika als Europa und Europa als Afrika beschriftet ist.

Bild der Hereford Mappa Mundi
Die Hereford mappa mundi, ca. 1300

Die Jahre 1400 n. Chr.

Der venezianische Mönch Fra Mauro erstellte um das Jahr 1450 n. Chr. Die kreisförmige Karte des Fra Mauro wird als das künstlerisch hochwertigste Werk der mittelalterlichen Kartographie gesehen. Sie hat einen Durchmesser von 2 m, ist auf Pergament gezeichnet und in einem Holzrahmen gespannt. Fra Mauro’s Meisterwerk zeigt die, zur damaligen Zeit bekannte Welt: Europa, Afrika und Asien. Im Gegensatz zur Karte des Ptolemäus ist sie nach Süden orientiert – Süden ist also oben.

Detailansicht der Karte des Fra Mauro
Detailansicht der Karte des Fra Mauro, 1459
Vergleich der Karte des Fra Mauro und einem Satellitenbild
Vergleich der Karte des Fra Mauro mit einem Satellitenbild, das passend zur Karte rotiert ist.

Geschichte der Kartographie während der frühen Neuzeit

Während des 16. Jahrhunderts nahm die Kartenerstellung erneut richtig Fahrt auf und die Kartographie wurde auf neues Niveau gehoben. Ausschlaggebend dafür waren hauptsächlich die Entwicklung neuer Messinstrumente und neuer Messmethoden. Hinzu kam, dass mit der Erfindung des Buchdrucks die Vervielfältigung von Karten wesentlich einfacher wurde. Kartographen erlangten während dieser Zeit gesellschaftlich hohen Stellenwert. Präzise Karten waren schließlich die Grundlage für das Entdecken und Kolonialisieren neuer Erdteile, sowie für die militärische Überlegenheit. Ein großer Fokus lag während des 16. Jh. vor allem auf dem Kartieren von Küstengebieten und neu entdeckter Landgebiete. In diese Zeit viel auch die erste kartographische Darstellung Amerikas, durch den spanischen Seefahrer und Kartographen Juan de la Cosa.

Der ganz große Fortschritt entstand aber 1569, mit der ersten von Gerardus Mercator publizierten Karte.

Die Jahre 1500 n. Chr.

Die Weltkarte von Gerardus Mercator setzte Maßstäbe, da sie der erste Versuch war, die runde Erde korrekt auf einer ebenen Fläche darzustellen. Das Problem besteht darin, dass sphärische Formen in der Fläche stark verzerrt werden. Das Gradnetz der Erde wird stark gebogen und ist somit nahezu nutzlos bei der Navigation. Mercator versuchte dies zu kompensieren und hielt die Linien des Gradnetzes gerade und rechtwinklig. Dies resultierte in starken Verzerrungen der polnahen Gebiete, allerdings wurde die Karte aufgrund ihrer Winkeltreue sehr wertvoll für die Seefahrt.

Die schwarz-weisse Weltkarte von Mercator
Mercators erste Weltkarte, zusammengesetzt aus 18 Kartenblättern, 1569

Die Jahre 1600 n. Chr.

Der italienische Priester Matteo Ricci war während der Ming-Dynastie zu missionarischen Zwecken in China eingesetzt. Während dieser Zeit erstellte er eine Weltkarte mit China im Zentrum, die dort als Kunyu Wanguo Quanto („Karte der unzähligen Länder der Welt“) bekannt ist. Der 4 x 2 m große Holzschnitt stellt Afrika, Europa, Amerika und China in angemessener Größe dar und veranschaulichte damit dem Kaiser die Größe und die korrekte Lage seines Reiches. Er veränderte damit die chinesische Sichtweise auf die Welt, als auch die der Europäer auf China.

Kolorierte Weltkarte des Matteo Ricci
Japanische Kopie der Weltkarte des Matteo Ricci

Kartographie in der Neuzeit

In der Zeit nach der Industriellen Revolution nahmen Handel und Konsum weltweit zu. Galten Bücher und Reisen bis dahin noch als Luxus, verbesserten sich die Lebensbedingungen nach der Industriellen Revolution erheblich und die Mittelschicht konnte sich diese Annehmlichkeiten nun auch leisten. Das Bürgertum interessierte sich für Reisen und auch Geschäftsreisen gewannen immer mehr an Bedeutung für Händler und Mitglieder der Mittelschicht. Geographen und Kartographen mussten sich plötzlich den geänderten Konsumwünschen anpassen und so veränderten sich auch die erstellten Karten.

Die bis dahin großen, künstlerisch verzierten Weltkarten waren nicht mehr gefragt und es entstanden immer kleinere, auf die Bedürfnisse der Kunden angepasste Karten.

Während des 19. Jahrhunderts gewann auch die Eisenbahn immer mehr an Einfluss und das Schienennetz wuchs rapide. Reisen wurde schneller, billiger und für immer mehr Menschen erschwinglich. Die Kartographen waren nun beschäftigt, ihre Karten dem wachsenden Schienennetz immer wieder anzupassen.

Karten – ein Spiegel der Zeit

Karten wurden entweder berühmt aufgrund ihrer Schönheit, ihres revolutionären Charakters oder weil sie von geschichtlicher Bedeutung waren. Auch wenn viele Karten nahezu nutzlos waren, um damit zu navigieren oder die Position zu bestimmen, so geben sie uns trotzdem einen guten Einblick, was die Kartographen, Geographen und Entdecker der damaligen Zeit von der Welt wussten. Und einige dieser Karten, wie bspw. die Mercator-Karte, findet auch heute noch Anwendung.